NACHGEFRAGT: Was wurde aus…Zwirbler?

Am 1. Juli 2010 startete der Wiener Autor TG mit Zwirbler den 1. Facebook-Roman und erfand damit eine „gänzlich neue Form der Literatur: interaktiv & real-time. Erdacht und geschrieben in und auf dem sozialen Netzwerk, gemeinsam mit 16.000 Fans. In Statusmeldungen verdichtet zu max. 420 Zeichen.“, so beschreibt es der kladde buchverlag. Gemeinsam mit dem Autor hat der Verlag 2014 eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und erfolgreich abgeschlossen. Mittlerweile sind schon wieder ein paar Jahre ins Land gezogen und es ist Zeit, wieder mal nachzufragen, was aus Zwirbler geworden ist.

Wolfgang: Lieber TG, stell‘ dich und deinen Roman Zwirbler bitte kurz vor.

TG Gergely Teglasy: Ich bin Drogendealer. Ich deale mit Kreativität, Inspiration und Kommunikation. Das ist mein Stoff. Für die Verteilung des Stoffes unterrichte ich, schreibe ich, starte Neues und gründe Unternehmen. Manchmal schaffe ich es, Menschen damit anzustecken und sie zu ermutigen. Und das kann süchtig machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle mehr Mut brauchen. Mich eingeschlossen. Erst wenn wir aufhören bequem zu sein, über unsere Grenzen gehen, und Fehler machen, wachsen wir.

Mit diesem Gedanken beginnt übrigens auch Zwirbler, der 1. Facebook-Roman der Welt. Auch weil ich nicht wusste, ob das Experiment, einen Roman auf Facebook zu schreiben, überhaupt klappen wird. Daher ist der Beginn der ersten Statusmeldung: „Zwirbler ist überzeugt, dass man aus seinen Misserfolgen wesentlich mehr lernt, als aus Erfolgen.“

Wolfgang: Im Jahr 2010 hast du mit Zwirbler auf Facebook begonnen. Warum hast du vier Jahre nach dem Start eine Crowdfunding-Aktion gestartet?

TG: Ich habe Zwirbler vier Jahre auf und in Facebook geschrieben. Meistens Nachts. Meine Aufgabe war es als Autor im Hintergrund aus den unzähligen Kommentaren eine stringente Handlung zu weben und zu erzählen. Jede Statusmeldung á 420 Zeichen wurde so ein Teil der Geschichte, die dann von über 16.000 Menschen verfolgt wurde. Von den Lesern kam dann der Wunsch Zwirbler auch nochmal im Ganzen zu lesen. Es gab zwar Angebote von Verlagen, aber auch hier wollte ich etwas Neues probieren und auch mehrere – auch ungewöhnliche – Formen der Publikation. Gemeinsam mit den unglaublich tollen Zwirbler-Fans. Daher das Crowdfunding auf Startnext, bei dem wir als Ziel 15.000 € hatten, um all das möglich zu machen.

Wolfgang: Die Crowdfunding-Kampagne zu Zwirbler war erfolgreich und der Roman ist mittlerweile auf Papier erschienen. Was ist nach dem Crowdfunding alles passiert?

TG: Zwirbler gibt es nicht nur als wunderschönes, mit viel Liebe gestaltetes Buch, als eBook und als Hörbuch, sondern auch auf WC-Papier: Der Roman auf 3 Rollen feinstem WC-Papier im Design-Pack. Das Thema WC war wesentlicher Teil der Kampagne und sorgte für viel Presse. Wir haben das eindeutig so positioniert: Zwirbler für das Klo, Literatur für mehr Tiefgang beim Stuhlgang und die Möglichkeit sich mit Facebook einmal den Hintern auszuwischen. Vor allem das Crowdfundung-Video und die Dankeschöns haben die Leute äußerst amüsant gefunden und so schafften wir eine umfassende Berichterstattung: von den Salzburger Nachrichten bis zum ARD Nachtmagazin. Wir haben dann mit dem kladde Verlag alles produziert und wie versprochen rechtzeitig zu Weihnachten ausgeliefert – viele haben Zwirbler ja als Präsent verschenkt: Der 1. Facebook-Roman auf WC-Papier ist ein aufsehenerregendes Geschenk, welches jedem ein Lächeln zaubert.

Wolfgang: Verkauft sich das Buch weiterhin?

TG: Ja, Zwirbler gibt es auch nach dem Crowdfunding. Sowohl als Buch, eBook, Hörbuch und WC-Papier. Direkt vom Verlag unter http://get.zwirbler.com, in jeder Buchhandlung bestellbar und natürlich bei Amazon. Dort habe ich neulich ein Zwirbler WC-Papier „gebraucht“ entdeckt. Es war zwar etwas vergünstigt, aber ich weiß nicht, ob sich wer traut, das gebraucht zu kaufen.

Wolfgang: Wird es eine Fortsetzung von Zwirbler geben?

TG: Derzeit bin ich noch recht viel mit Zwirbler beschäftigt. Ich habe mehrere Vorträge und einen TEDx Talk zu Zwirbler gehalten. Der 1. Facebook-Roman der Welt gilt als wegweisend in der Literatur und das ist mir eine besondere Freude: mit den Fans Literaturgeschichte geschrieben zu haben. Gerade bin ich an die Universität St. Gallen als Redner zur Tagung „Literatur und Kultur im digitalen Zeitalter“ eingeladen worden. Außerdem bin ich mit vielen neuen Projekten eingedeckt und habe eine Fortsetzung eigentlich nie geplant, aber wie es in Zwirbler heißt: „Das Leben verläuft nie so, wie wir es uns mal vorgestellt haben.“

Wolfgang: Würdest du Autoren und Publishern Crowdfunding weiterempfehlen? Falls ja, welche Tipps hast du für sie?

TG: Ja, das würde ich, wenn man bereit ist, genügend Zeit und Energie zu investieren. Ein Crowdfunding funktoniert nur mit großem Einsatz. Und mit einer bereits bestehenden Fangemeinde. Wir haben dafür bereits im Vorfeld sehr stark die Fans involviert. Ein Crowdfunding ist also viel Aufwand, ja, aber dafür kann man – falls gut gemacht  – mit vielen Berichten und einer Steigerung der Bekanntheit rechnen. Und mit Fehlern, die man macht – die uns wiederum wachsen lassen.

Wolfgang: Danke für das Interview!

Fallstudie

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