Vor einigen Wochen habe ich Jan Gartner in Wien getroffen, wo er mir von seinen Ideen zur Partizipation im urbanen Raum erzählt hat. Und von seiner Crowdfunding-Plattform Raumpioniere.at, die für eben solche Projekte zugänglich sein wird. Im Interview spricht Jan mit mir über „Civic Crowdfunding“ und Stadtentwicklung, internationale Vorbilder und mobileBeteiligungsmethoden.
Wolfgang: Jan, du bist Architekt und Crowdfunding-Beobachter. Stell’ dich doch bitte kurz vor.
Jan: Hallo Wolfgang, danke für das Interview. Kurz zu meiner Person: Ich wohne und arbeite in Wien und bin von Beruf Stadtplaner mit dem Schwerpunkt auf partizipative Stadtentwicklungs- & Stadtgestaltungsprojekte. Mich interessieren vor allem Projekte im öffentlichen Raum, die durch co-creation geplant und realisiert werden. Ein weiterer Fokus meines Interesses und auch Forschungsgebiets liegt auf digitale Partizipationsverfahren. Im Zuge meiner Forschungstätigkeiten zu dem Thema Civic/Urban Crowdfunding habe ich mich tiefer mit ebendieser Thematik beschäftig und zeitgleich an einem Prototypen für eine civic/urban Crowdfunding/Crowdsourcing/Crowdengaging-Plattform für Wien gearbeitet.
Wolfgang: Mittlerweile bist du aber einen Schritt weiter, stimmt’s?
Jan: Genau. Die Plattform „Raumpioniere“ wird nun im Laufe des Jahres entwickelt werden und gegen Ende des Jahres in Wien gestartet. Teil des Projektes ist auch die Entwicklung eines Partizipationsmobils namens FOA´RUM, das uns als Plattformbetreiber dabei helfen soll, vor Ort mit AkteurInnen/BürgerInnen an Projekten zu arbeiten – sowohl mit den herkömmlichen Beteiligungsmethoden (analog) als auch mittels neuer Medien (digital). Wir verstehen unser Projekt auch als „lernen in und mit dem Raum“ und versuchen neue Möglichkeitswege aufzuzeigen bzw. zu erarbeiten. Auf unserer Seite www.raumpioniere.at finden Interessierte erste Informationen über die zukünftige Entwicklungsschritte und die Möglichkeit mit uns in Kontakt zu treten.
Wolfgang: Du beschäftigst dich ja auch generell mit Civic Crowdfunding bzw. Urban Crowdfunding. Welchen Zugang hast du hier?
Jan: Mein Interesse fokussiert auf Crowdfunding Projekte, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Stadt/den Stadtraum mitzugestalten. Als Plattform wollen wir den unzähligen kreativen Pionieren in der Stadt ein neues Finanzierungsinstrument zur Seite stellen, mit dem sie ihre Projekte finanzieren und zeitgleich auch MitstreiterInnen finden können, die sich mit-einbringen und mit-entwickeln. Ziel ist es, das Potential der Vielen in Stadtgestaltungsfragen sichtbar und nutzbar zu machen.
Ein weiterer großer Unterschied zu herkömmlichen Crowdfunding-Plattformen besteht auch in der Möglichkeit, sich nicht nur mittels Geld bei Projekten zu beteiligen, sondern auch mittels Know How/Zeit oder sogar mittels Sachspenden. Dies soll vor allem eine neue Bandbreite an Beteiligungsmöglichkeiten schaffen. Unser bzw. mein Interesse liegt also vor allem auf der Aktivierung von BürgerInnen, die sich an der Entwicklung unserer zukünftigen Städte beteiligen wollen, um somit auch einen breiteren städtischen Diskurs zu schaffen.
Wolfgang: Welche Projekte oder Plattformen hast du dir national wie international zum Vorbild genommen und warum?
Jan: Im Zuge meiner Forschung konnte ich einen guten Überblick der vorhandenen Plattformen erarbeiten. Am meisten inspiriert hat mich dabei sicherlich „Spacehive“ aus England, weil die Reichweite und Projektvariabilität mit kaum einer anderen internationalen Plattform zu vergleichen ist. Des weiteren arbeiten sie auch verstärkt mit lokalen Behörden und Verwaltungsapparaten und PolitikerInnen. Die daraus resultierende Bandbreite an StakeholderInnen ist sicherlich ein positives Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. National würde ich sagen, dass Respekt.net einen interessanten Zugang pflegt, der sicherlich die ein oder andere Überschneidung mit unserer Idee vorweist – jedoch mit gänzlich unterschiedlichem Fokus. Da es also nichts vergleichbares in Österreich gibt, habe ich mich bei der Analyse des österreichischen Markts eher auf urbane Projekte fokussiert. Als Musterbeispiel zur Veranschaulichung des Potentials dient hier am besten das Projekt Magdas Hotel – ein tolles Projekt und Inspirationsquelle.
Wolfgang: Welche Projekte kannst du dir für Wien denn in Zukunft vorstellen?
Jan: Die Bandbreite an möglichen Projekten ist riesig. Angefangen von typischen Projekten im öffentlichen Raum, die sich im Community-Building Spektrum bewegen, bis hin zu Machbarkeitsstudien für größere Projekte oder auch Prototypen zur Veranschaulichung von Projektideen. Das Spektrum ist hier also definitiv größer als der Nachbarschaftsgarten um’s Eck – der aber sicherlich auch seine Berechtigung hat und spannend sein kann.
Wichtig ist einfach, dass das Projekt dem Gemeinwohl, der Gesellschaft im Ganzen zu Gute kommt und nicht nur eine persönliche Bereicherung die Hauptmotivation hinter der Idee/dem Projekt ist. Als gute Beispiele für das Potential von Machbarkeitsstudien dienen die Projekte PlusPool und die Lowline in New York. Hier kann man gut erkennen, was möglich wäre, auch wenn die Dimension in Wien wahrscheinlich eine andere ist.
Wolfgang: Wie geht’s nun weiter? Wann werden wir die ersten Projekte auf Raumpioniere.at sehen?
Jan: Ziel ist es, die Plattform mit Ende des Jahres zu starten. Bis dahin ist aber noch einiges an Arbeit zu erledigen. Wir werden nochmals den Prototypen überarbeiten und zwar sowohl inhaltlich als auch im Aufbau und im Design. Darüber hinaus sind wir mit unterschiedlichen Institutionen in Kooperationsgesprächen für die ersten Projekte. Aber selbstverständlich kann man sich jederzeit bei uns melden, falls eine Projektidee oder Kooperationswunsch besteht. Unser Beteiligungsmobil FOA´RUM wird ab Juli einsatzbereit sein und erste Projekte vor Ort unterstützen.
Wolfgang: Vielen Dank, Jan. Wir sind gespannt und wünschen viel Erfolg!