Die Genossenschaft für Gemeinwohl hat sich vor einigen Jahren in Österreich gegründet und verfolgt als Vision u.a. die Förderung und Finanzierung von ethisch, sozial und ökologisch ausgerichteten Unternehmen und Projekten. Auf diese Weise unterstützt sie einen nachhaltigen Wandel des Finanzwesens – hin zu mehr Gemeinwohlorientierung. Mit der Crowdfunding-Plattform gemeinwohlprojekte.at hat die Genossenschaft vor zwei Jahren einen Marktplatz für engagierte Menschen und ihre Ideen geschaffen. Patrick Zaunfuchs ist innerhalb der Genossenschaft dafür verantwortlich, das Thema „Crowdfunding für das Gemeinwohl“ voranzutreiben. Im Interview mit Crowdfunding-Service.com erzählt er über den Werdegang und Funktionsweise der Plattform, die Ausrichtung der Projekte und die Zukunft von Crowdfunding in Österreich.
Wolfgang: Patrick, du bist der Crowdfunding-Koordinator der Genossenschaft für Gemeinwohl. Stell dich und die Genossenschaft doch bitte kurz vor.
Patrick: Ich war nach dem Studium (Kommunikationswirtschaft) und einigen Jahren auf Agenturseite für fünf Jahre bei einer großen österreichischen Bank tätig, wo ich für Dialogmarketing und den Aufbau der bankeigenen Crowdfunding-Plattform „Es geht! Crowdfunding.at“ verantwortlich war. Seit 2017 bin ich Koordinator für die Crowdfunding-Plattform der Genossenschaft für Gemeinwohl. Die Genossenschaft für Gemeinwohl ist die Plattform für gemeinwohlorientierte Menschen und Organisationen rund um das Thema Geld und Finanzen – das Ziel ist, dass Geld wieder den Menschen dienen und vom Zweck zum Mittel werden soll.
Wolfgang: Ihr betreibt mit www.gemeinwohlprojekte.at auch eine Crowdfunding-Plattform. An welche Art von Projekten richtet ihr euch da?
Patrick: Seit August 2017 sind wir mit gemeinwohlprojekte.at am Markt und haben schon viele Projekte erfolgreich finanzieren können. Der Unterschied zu anderen Crowdfunding-Plattformen ist, dass wir ausschließlich gemeinwohlorientierte Projekte finanzieren. Die Hauptkategorien sind: Erneuerbare Energien, Wohnprojekte & Nachhaltiges Bauen, Ökologische Landwirtschaft und Soziale & Ökologische Unternehmen.
Wolfgang: Wie funktioniert die Abwicklung eines Projekts, sowohl für die ProjekteinreicherInnen, aber auch für die UnterstützerInnen?
Patrick: Das Besondere an unserer Plattform ist die Gemeinwohlprüfung – alle Projekte werden einer mehrstufigen Gemeinwohlprüfung unterzogen. Dabei werden die Projekte nach interner Vorprüfung durch ExpertInnen beurteilt, daraufhin werden sie unseren über 5000 GenossenschafterInnen in der Feedback- und Bewertungsphase vorgestellt. Die GenossenschafterInnen können so mitbestimmen, welche Projekte den Weg auf die Plattform finden sollen. Zum Schluss entscheidet dann der Gemeinwohlbeirat auf Basis der Ergebnisse aus den beiden vorherigen Phasen, ob das Projekt das Gemeinwohlsiegel erhält und somit zum Crowdfunding zugelassen ist. Die UnterstützerInnen haben somit die Gewissheit, dass alle Projekte auf gemeinwohlprojekte.at gemeinwohlgeprüft sind und sie so in sinnstiftende Projekte investieren.
Wolfgang: Ihr nutzt ja das System von respekt.net, entwickelt aber die Software/Plattform aktiv weiter. Worin besteht der Unterschied der beiden Plattformen?
Patrick: Wir haben zum Start unserer Plattform nach einem gleichgesinnten Kooperationspartner gesucht und waren sehr glücklich, das Projekt mit respekt.net aufzuziehen. Da respekt.net nur spendenbasiertes Crowdfunding anbietet, haben wir gleich zu Beginn die Plattform für Reward-basiertes Crowdfunding weiterentwickelt und das Gemeinwohlprüfungs-Tool programmiert. 2018 kam dann noch die Erweiterung um Darlehen dazu. Seit Ende letzten Jahres sind wir nun gänzlich eigenständig unterwegs, wenngleich die Kooperation weiterhin aufrecht ist und gedeiht.
Wolfgang: Apropos lending-basierte Projekte: warum habt ihr euch dafür entschieden, auch dieses Crowdfunding-Modell anzubieten?
Patrick: Die Entscheidung wurde schon zu Beginn gefällt, jedoch wurde entschieden, die verschiedenen Crowdfunding Modelle nach und nach einzusetzen, um die jeweiligen key learnings mitzunehmen. Nachdem uns die FMA die Lizenz für die Gründung eines eigenen Instituts verweigert hat, ist die Bedeutung unseres Crowdfundings umso höher geworden, da wir hier eine lizenzfreie Möglichkeit haben, gemeinwohlorientierte Projekte zu finanzieren. Mittels Darlehen können wir nun auch größere Volumen stemmen. Die ersten drei Darlehens-Projekte konnten ja glücklicherweise allesamt erfolgreich finanziert werden.
Wolfgang: Wie unterstützt ihr die Projekte dabei, eine Kampagne erfolgreich zu machen?
Patrick: Wir unterstützen bereits bei bzw. vor der Projekteinreichung und bringen zusätzlich das Feedback der Crowd aus der Gemeinwohlprüfung ein. Darüber hinaus haben wir über 5000 GenossenschafterInnen, einen Newsletterverteiler mit 15000 Interessierten und ebenso über 15000 Facebook Follower. Dieses Netzwerk nützen wir für die Kommunikation der Projekte.
Wolfgang: Wohin geht die Reise im Crowdfunding in Österreich und bei euch im Speziellen?
Patrick: Der Crowdfunding-Markt in Österreich hat 2018 wieder um über 20 % zugelegt und wird auch die nächsten Jahre noch kontinuierlich wachsen. Wir wollen heuer den Fokus auf Darlehensprojekte legen und uns kommunikativ stärker am Markt positionieren. Dazu sind unter anderem auch einige Messeauftritte geplant.
Wolfgang: Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch!